Zum Verhältnis der Kritik des identifizierenden Denkens zum Begriff des Geschlechts
Antwort auf Kritiker
Julian Kuppe
I.
»Queer is by definition whatever is at odds with the normal, the legitimate, the dominant. There is nothing in particular to which it necessarily refers. It is an identity without an essence.« (David Halperin 1995. Saint Foucault: Towards a Gay Hagiography 62)
»Dialektisch ist Erkenntnis des Nichtidentischen auch darin, daß gerade sie, mehr und anders als das Identitätsdenken, identifiziert. Sie will sagen, was etwas sei, während das Identitätsdenken sagt, worunter etwas fällt, wovon es Exemplar ist oder Repräsentant, was es also nicht selbst ist. Identitätsdenken entfernt sich von der Identität seines Gegenstandes um so weiter, je rücksichtsloser es ihm au den Leib rückt.« (ND 152)
»Das Moment der Nichtidentität in dem identifizierenden Urteil ist insofern umstandslos einsichtig, als jeder einzelne unter einer Klasse subsumierte Gegenstand Bestimmungen hat, die in der Definition seiner Klasse nicht enthalten sind.« (ND 153)
»Regression des Bewußtseins ist Produkt von dessen Mangel an Selbstbesinnung. Sie vermag das Identitätsprinzip noch zu durchschauen, nicht aber kann ohne Identifikation gedacht werden, jede Bestimmung ist Identifikation. Aber eben sie nähert sich auch dem, was der Gegenstand selber ist als Nichtidentisches: indem sie es prägt, will sie von ihm sich prägen lassen.« (ND 152)
Es kommt ganz auf die Bedeutung der Kopula, des ist im identifizierenden Urteil, an. Die Kritik des identifizierenden Denkens kritisiert die Gleichsetzung im analytischen Urteil in einer bestimmten Hinsicht. Sie kritisiert die Vorstellung, das Objekt sei mit dem Begriff identisch, es sei nur das, worunter es begrifflich fällt und nichts anderes. Sie ist weder eine Argumentation gegen begriffliches Sprechen überhaupt, noch gegen Klassifizierungen an sich. Sie besagt lediglich, dass das Objekt noch weitere Bestimmungen aufweist, als die in dem jeweiligen analytischen Urteil oder Identitätssatz enthaltenen. Es handelt sich nur darum, dass Objekte gewöhnlich verschiedene Eigenschaften besitzen und daher nicht auf eine einzige zu reduzieren sind.
»Nicht minder trugvoll ist bereits die Frage nach Natur als absolut Erstem, gegenüber seinen Vermittlungen schlechthin Unmittelbarem. Sie stellt das, dem sie nachjagt, in der hierarchischen Form des analytischen Urteils vor, dessen Prämissen über alles gebieten, was folgt, und wiederholt dadurch die Verblendung, aus der sie heraus möchte.« (ND 352)
In diesem Sinne ist auch die Aussage über Natur zu verstehen. Sie erhebt Einspruch gegen die Vorstellung, mit der begrifflichen Bestimmung von etwas als Natur seien alle weiteren Bestimmungen festgelegt. Sie ist gegen Biologismus gerichtet, also dagegen, ausgehend von der Natur als Unmittelbarem weitere Bedeutungen und Bestimmungen ableiten und festlegen zu wollen. Damit ist nicht Natur als Unmittelbarem schlechthin eine Absage erteilt, nur sozialen oder gesellschaftlichen Bestimmungen, die aus der Natur abgeleitet werden. Begriffliche Unterscheidungen, die objektiv vorhandene Unterschiede in der Natur ausdrücken, sind nicht an sich hierarchisierend. Hierarchisierungen resultieren aus zusätzlichen hierarchisierenden Urteilen.
Denken ist wesentlich begrifflich, es beruht auf identifizierenden Urteilen, die etwas als etwas bezeichnen. Gelingende begriffliche Identifikation bedeutet dabei lediglich, dass dem Objekt die mit dem Begriff bezeichnete Eigenschaft zukommt. Es ist keine Aussage über alle anderen Eigenschaften, die dem Objekt außerdem noch zukommen. Der Einspruch der Kritik am identifizierendem Denken bezieht sich auf die Vorstellung, das Objekt sei nur das, worunter es im begrifflichen Urteil fällt und nicht noch anderes, das mit diesem Begriff nicht ausgedrückt wird.
Denken von etwas als etwas ist notwendig identifizierend. Es kann also nur zwischen gelingender Identifikation und misslingender Identifikation einer bestimmten Eigenschaft eines bestimmten Objekts unterschieden werden. Im Denken und im Sprechen ist der Bezug auf etwas nur durch Identifikation möglich. Denken und Sprechen beinhalten daher notwendig einen Identifikationszwang. Die Kritik am identifizierenden Denken besagt nur, dass dieser sich immer nur auf einzelne Eigenschaften, Bestimmungen oder Aspekte des Objekts bezieht, niemals auf alle Eigenschaften, Bestimmungen oder Aspekte zugleich.
Damit erweist sich die Unmöglichkeit des Anliegens der queer theory, sich dem Identifikationszwang zu entziehen. Der Irrtum der queer theory besteht darin, dass sie die Identifikation einer bestimmten Eigenschaft als Aussage über alle weiteren Aspekte des Objekts versteht. Das trifft aber nicht zu. Der Begriff des Geschlechts betrifft nur den Unterschied, ob ein Körper in die Kategorie biologisch weiblich oder in die Kategorie biologisch männlich fällt. Er trifft also nur das Urteil darüber, ob jemand biologisch weiblich oder biologisch männlich ist. Alle anderen Eigenschaften und Aspekte, die auf diesen Unterschied bezogen werden, sind daher vom Begriff des Geschlechts zu unterscheiden. Sie verlangen also andere Begriffe, wie gender, soziales Geschlecht, Geschlechtsidentität oder sexuelle Orientierung. Die Kritik des identifizierenden Denkens betrifft daher das identifizierende Urteil, mit dem ein x als unter eines von zwei möglichen Geschlechtern fallend bestimmt wird, nur insoweit, als sie darauf verweist, dass x noch andere Bestimmungen aufweist als diese eine.
»These two problems can be ameliorated by an account of genderqueer as what I call a ‘critical gender kind’, or a kind whose members collectively destabilize one or more elements of dominant gender ideology. Genderqueer, on my proposed model, is a category whose members collectively destabilize the binary axis, or the idea that the only possible genders are the exclusive and exhaustive kinds men and women.« (Robin Dembroff 2020. Beyond Binary: Genderqueer as Critical Gender Kind 2)
Interessanterweise ist in dem Zitat von »gender ideology« die Rede. Das wäre genau die Frage. Was ist gender? Gibt es so etwas wie gender überhaupt oder sind das nicht lediglich ideologische Vorstellungen, die auf das biologische Geschlecht (sex) bezogen werden? Bezeichnet gender also tatsächlich nur die sozialen Zwänge, Rollenvorstellungen oder Geschlechternormen, die auf das biologische Geschlecht bezogen werden und von denen es zu befreien wäre? Queer wird in dem Zitat als Kategorie verstanden, »deren Mitglieder kollektiv die binäre Achse destabilisieren, also die Vorstellung, dass die einzig möglichen gender die exklusiven und erschöpfenden Arten Mann und Frau sind«. Die Kategorien Frau und Mann sind aber die binären Kategorien des Begriffs Geschlecht, keine Arten von gender. Daher können gender oder Geschlechternormen auch nicht die Binarität des Geschlechts destabilisieren.
Zudem wird die Unmöglichkeit überaus deutlich, auf begriffliche Bestimmungen zu verzichten. Das zeigt sich an der Vorstellung von den eigenen Begriffen des Objekts oder den Begriffen in einer Konstellation, mit dem Vermögen kollektiv auf das Objekt zu verweisen und auszudrücken was es ist. Um auszudrücken, was etwas ist, sind also eine Reihe von Begriffen als identifizierende Urteile in Bezug auf Bestimmungen des Objekts unverzichtbar. Einer dieser unverzichtbaren Begriffe ist in Bezug auf Menschen der des biologischen Geschlechts. Ohne diesen Begriff könnte nicht sinnvoll ausgedrückt werden, was Menschen sind, weil eine wesentliche Bestimmung fehlen würde.
Komplexe Objekte lassen sich stets nur durch eine Konstellation von Begriffen als das bestimmen, was sie sind, weil sie eine Reihe von Bestimmungen aufweisen und nicht nur eine einzige. Dabei sollten diese begrifflichen Bestimmungen in der jeweiligen Konstellation in einem systematischen Verhältnis zueinander stehen. Es geht dabei um nichts anderes, als um die eigenen Bestimmungen des Objekts, die begrifflich zu fassen sind, nicht um bereits feststehende Begriffe, im Sinne platonischer Ideen oder logisch bestimmter Begriffe, denen das Objekt unterworfen wird. Der Begriff des biologischen Geschlechts ist so ein eigener Begriff der Gattung Mensch. Er gehört zu den Begriffen, die essentiell notwendig sind, um auszudrücken, was sie ist, da das biologische Geschlecht keine akzidentelle, sondern eine notwendige Kategorie des Begriffs Mensch ist.
II.
Die Vermittlung des Erkennens durch das Bewusstsein bedeutet nicht, dass die Erkenntnis von Objekten unmöglich wäre und es kein objektives Wissen geben könnte. Es ist zwar vermittelt, aber dennoch vorhanden. Bei Adorno ist es wichtig, den Text als Konstellation zu lesen. Nur in ihrem dialektischen oder systematischen Zusammenhang sind die einzelnen Aussagen zu verstehen. Wenn Adorno davon spricht, dass die »Kontroverse über die Priorität von Geist und Körper« vordialektisch verfahren würde und Körper und Geist als »Abstraktionen von ihrer Erfahrung« bezeichnet, deren »radikale Differenz ein Gesetztes« (ND 202) sei, dann geht es ihm dabei gerade um das »Eingedenken der Natur im Subjekt« (DdA 64), darum, dass das Bewusstsein aus dem physischen Körper hervorgeht. Es ist gegen die Hypostase des Bewusstseins und des Subjekts gerichtet.
»Wird das Subjekt zur sturen Widerspiegelung des Objekts verhalten, die notwendig das Objekt verfehlt, das nur dem subjektiven Überschuß im Gedanken sich aufschließt, so resultiert die friedlose geistige Stille integraler Verwaltung.« (ND 205)
Es ist zu berücksichtigen, wogegen die Kritik des identifizierenden Denkens bei Adorno gerichtet ist, um die einzelnen Aussagen in ihrem Zusammenhang verstehen zu können. Auf der einen Seite ist die Kritik gegen die Hypostase des Geistes und des Subjekts gerichtet, die als Grund alles andere hervorzubringen scheinen, wie sie idealtypisch bei Hegel zum Ausdruck kommt. Auf der anderen Seite ist die Kritik gegen die Fundamentalontologie Heideggers und den einfachen Materialismus des Marxismus-Leninismus gerichtet, denen die Tendenz innewohnt, mit Konzepten, wie dem »Sein des Seienden« oder der Materie, aus einer als natürlich vorgestellten Ordnung der Dinge gesellschaftliche Ordnungsvorstellungen hervorgehen zu lassen.
»Aber der kritische Gedanke möchte nicht dem Objekt den verwaisten Königsthron des Subjekts verschaffen, auf dem das Objekt nichts wäre als ein Götze, sondern die Hierarchie beseitigen.« (ND 182)
»Wohl ist der Schein, das transzendentale Subjekt sei der archimedische Punkt, kaum durch die Analyse von Subjektivität rein in sich ganz zu brechen. Denn dieser Schein enthält, ohne daß es aus den Vermittlungen des Denkens herauszupräparieren wäre, jenes Wahre der Vorgängigkeit von Gesellschaft vorm Einzelbewußtsein und all seiner Erfahrung. Die Einsicht in die Vermitteltheit des Denkens durch die Objektivität negiert nicht das Denken und die objektiven Gesetze, durch die es Denken ist.« (ND 182)
»Einzig unverdrossen verdinglichtes Bewußtsein wähnt, oder redet andern ein, es besitze Photographien der Objektivität. Seine Illusion geht über in dogmatische Unmittelbarkeit.« (ND 205)
In diesem Sinne sind die Aussagen über das Verhältnis von Objektivität und Denken zu verstehen. Sie bedeuten nicht, Objektivität wäre durch das Denken des Bewusstseins nicht erreichbar und objektive Aussagen ließen sich nicht treffen. Die Aussage, kritisches Denken »möchte nicht dem »Objekt den verwaisten Königsthron des Subjekts verschaffen«, ist der Vorbehalt, dass die Berücksichtigung der »Vermitteltheit des Denkens durch die Objektivität« (ND 182) nicht das Denken in seiner Eigenständigkeit negiert. Dagegen ist die Aussage, dass einzig »unverdrossen verdinglichtes Bewußtsein« sich im Besitz von »Photographien der Objektivität« wähnt oder das andern einredet und seine Illusion »in dogmatische Unmittelbarkeit« übergeht (ND 205), wiederum gegen den einfachen Materialismus des Marxismus-Leninismus gerichtet, der mit Abbildern die materielle Wirklichkeit zu erfassen meint. Es geht hier gerade darum, das Objekt in seinen eigenen Bestimmungen aufzuschließen, wozu diese Bestimmungen in ihrem bestimmten Zusammenhang gedanklich nachzuvollziehen und begrifflich darzustellen sind. Dazu bedarf es identifizierender Bestimmungen des Denkens, also einer Konstellation von subjektiven Urteilen im Bewusstsein, die den subjektiven Bestimmungen des Objekts möglichst nahe kommt oder entspricht.
Beim biologischen Geschlecht handelt es sich um eine in ihrer objektiven Gegebenheit recht einfach festzustellende Eigenschaft, die mindestens seit einigen Jahrtausenden schon bekannt ist. Nicht zuletzt auch deswegen, weil auf diesen Unterschied die patriarchale Herrschaft über Frauen, als den Angehörigen des weiblichen Geschlechts, bezogen ist. Es ist irrational und mystifizierend, nun mittels des Begriffs der Vermittlung oder der Kritik des identifizierenden Denkens zu behaupten, dieser Unterschied könne nicht erkannt werden oder er würde nicht existieren.
III.
Es geht um ein Verständnis der Kritik des identifizierenden Denkens, das ein Begreifen der objektiven Realität in bestimmten Hinsichten zulässt und daher nicht in die Irrationalität führt. Würde die Behauptung, jede Klassifizierung sei unter gegenwärtigen gesellschaftlichen Bedingungen unzureichend und inadäquat, zutreffen, dann wäre kein begriffliches Sprechen und kein triftiges Denken möglich. Wenn für den Begriff des Geschlechts behauptet wird, dass nicht erkannt werden könne, welche objektive Gegebenheit er bezeichnet, würde das für alle anderen Begriffe ebenso zutreffen. Es würde damit unklar, was überhaupt irgendein Begriff für eine Bedeutung hat. Jedes Erkennen, Wissen, Sprechen und Denken wäre nicht mehr möglich. Wenn die bestimmte Bedeutung von Begriffen innerhalb dieser Argumentation aber in Anspruch genommen wird, indem begriffliche Bestimmungen verwendet werden, widersprichst sie sich selbst und die vorgetragenen Behauptungen widerlegen sich selbst.
Die Argumentationsfigur, in der bestehenden Gesellschaft wäre nur zwingende Identität möglich, und zwanglose Identität erst in einer befreiten Gesellschaft, bestreitet jegliche Möglichkeit objektiver, im Sinne von sachlich angemessener, Erkenntnis über gegebene Gegenstände. Das ist eine falsche Lesart der Kritik identifizierenden Denkens. Sie läuft auf einen utopischen oder messianischen Begriff von Erkenntnis hinaus. Wie soll aus diesem verdinglichten Denken ein Ausweg denn überhaupt möglich sein? Eine Veränderung der Gesellschaft würde ja die Erkenntnis ihrer Unangemessenheit voraussetzen, die aber nicht möglich wäre, da volle Erkenntnis erst in einer befreiten Gesellschaft möglich sein soll. Damit wird ein Teufelskreis konstruiert, aus dem ein Entkommen unmöglich wäre.
Es ist demgegenüber davon auszugehen, dass Erkenntnis im Sinne von »das Begriffslose mit Begriffen aufzutun, ohne es ihnen gleichzumachen« (ND 21) nicht eine Utopie darstellt, auf die Erkenntnis zielt, sondern Erkenntnis in diesem Sinne als utopisch bestimmt wird. Es ist ein Ideal, das niemals erreicht werden kann, weil die Kluft zwischen dem Begriffslosen und den Begriffen durch Begriffe nicht übersprungen und nicht geschlossen werden kann. Das bedeutet aber nicht, dass sachlich angemessene Erkenntnis überhaupt nicht möglich wäre. Im Gegenteil, indem Gegenstände bezeichnet werden, werden sie als etwas bezeichnet, das mehr oder weniger angemessen sein kann. Es kommt daher in Bezug darauf, ob gelingendes oder misslingendes begriffliches Sprechen vorliegt, darauf an, inwieweit der begriffliche Bezug in der Gegenwart sachlich angemessen ist oder nicht (Vgl. Jan Müller 2012. Begriffliches Sprechen. Zur sprachlichen Grundkonstellation der frühen kritischen Theorie, in: Völk et al. 2012. „… wenn die Stunde es zuläßt.“ Zur Traditionalität und Aktualität kritischer Theorie: 176f., 181, 195.).
Begriffliche Klassifizierungen sind denknotwendig, um die gegenwärtig bestehende natürliche und gesellschaftliche Objektivität zu erkennen, sich auf sie zu beziehen, sie zu bearbeiten und sie zu verändern. Sie werden sowohl im Alltagsleben als auch in der Wissenschaft tagtäglich verwendet, ja ohne deren Verwendung gäbe es gar kein Alltagsleben und keine Wissenschaft. In vielen Fällen ist das unproblematisch oder sogar lebensnotwendig und lebenserhaltend, wie beispielsweise in der Medizin. Trotzdem sind in kapitalistischen Gesellschaften Objekte in Bezug auf die Warenform einem Zweck unterworfen, der nicht in den Gegenständen selbst liegt, der Kapitalverwertung. In kapitalistischen Gesellschaften werden die Objekte damit einer instrumentellen Rationalität unterworfen. Um die Gegenstände der instrumentellen Rationalität des Kapitals unterwerfen zu können, müssen sie aber auch zumindest soweit als das, was sie sind, erkannt werden, wie sie dem Zweck der Kapitalverwertung dienen sollen. Dazu müssen notwendig bestimmte Aspekte der Objekte richtig erkannt werden. Die Kritik des identifizierenden Denkens sollte nicht dazu führen, hinter diesen erreichten Stand der Erkenntnis zurückzufallen, sondern dazu, über die instrumentelle Rationalität hinausgehen zu können.
Klassifizierungen betreffen immer nur bestimmte Merkmale oder Aspekte. Sie können nie die volle Identität eines einzelnen Objekts ausdrücken, das in eine Klasse fällt, aber das ist auch gar nicht ihre Aufgabe oder Funktion. Es ist ein Missverständnis und eine Fehlinterpretation, die Kritik am identifizierenden Denken so zu verstehen, als ließe sie keine Klassifizierungen zu. Klassifizierungen haben gar nicht den Anspruch, die unter sie fallenden Gegenstände vollständig zu bestimmen. Klassifizierungen sind notwendig unzureichend und werden es immer sein, aber das ist nicht problematisch, solange sie als das verstanden werden, was sie sind.
Begreifendes Denken mittels analytischer und identifizierender Urteile kann sich nur auf Objekte beziehen, indem es einzelne Momente, Aspekte, Eigenschaften, oder Bestimmungen in ihrem Verhältnis zueinander bestimmt. Zudem wäre zu unterscheiden zwischen Begriffen, die gesellschaftliche Bestimmungen bezeichnen und Begriffen, die Bestimmungen gegebener materieller Objekte bezeichnen.
Für die Erkenntnis der Natur und den Begriff der Vermittlung gilt es die Differenz in der Vermittlung zu berücksichtigten. Die Erkenntnis der Natur ist modal vermittelt, die Möglichkeit der Erkenntnis ist substantiell durch Natur vermittelt (Marc Nicolas Sommer 2016. Das Konzept einer negativen Dialektik. Adorno und Hegel: 57f.). Natur ist ohne Vermittlung als Unmittelbares gegeben, aber sie kann nur vermittelt durchs Bewusstsein erkannt werden. Trotz der modalen Vermittlung der Erkenntnis durchs Bewusstsein ist objektives Wissen von der Natur in den bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen möglich, nicht erst in einer befreiten Gesellschaft.
Das Problem hinsichtlich des Begriffs des Geschlechts besteht in der unterschiedlichen Beurteilung deren Umfangs. Der Begriff des Geschlechts hat einen genau begrenzten Umfang. Er betrifft die Aussage, ob die körperliche Ausprägung eines Individuums weiblich oder männlich ist, nicht mehr. Es gehört nicht zum Umfang des Begriffs Geschlecht, Individuen vollständig in ihrer vollen individuellen Identität zu bestimmen. Das ist eine völlige Überdehnung des Begriffs des Geschlechts, die den Begriff unbrauchbar macht. In diesem Sinne ist eine Unterscheidung von Geschlecht (sex) und gender als sozialem Geschlecht hilfreich, weil sie dazu beiträgt Unklarheiten und Missverständnisse zu vermeiden.
Intergeschlechtlichkeit stellt die Binarität des Geschlechts nicht in Frage, weil es sich dabei um spezifische Ausprägungen des weiblichen oder des männlichen Geschlechts handelt, die aus jeweils besonderen Varianten der Entwicklungen eines der beiden Geschlechter resultieren.